Lieben ohne Beweis - Worte zur Hochzeit

Wir glauben an die Sonne,
auch wenn sie nicht scheint.
Wir glauben an die Liebe,
auch wenn wir sie nicht spüren.
Wir glauben an Gott,
auch wenn wir ihn nicht sehen.
Spruch an einer Hauswand im Warschauer Getto (in Ich-Form)

Ihr beiden habt euch einen überraschenden Trauspruch gewählt. Da ist in einem Atemzug von der Sonne, der Liebe und Gott die Rede. Ihr wollt damit euren Glauben ausdrücken, dass unsere Welt drei große Geschenke

für uns Menschen bereithält, auch wenn wir sie nicht immer wahrnehmen. Ihr wollt an der Sonne, an eurer Liebe und an Gott auch dann festhalten, wenn ihr mit eurem Sehen und Fühlen an eine Grenze kommt. Ist euer Trauwort deswegen eine Art frommer Aufmunterung oder billiger Trost? Die Sonne scheint unabhängig von unserem Sehen; die Liebe gibt es auch gegen unsere Gefühle; und Gott existiert gegen alle Zweifel. Euer Wort ist durch die harte Wirklichkeit geprüft worden. Sein Text wurde in der Ich-Form an einer Wand im Warschauer Getto gefunden; dort, wo Zehntausende durch die Hölle gehen mussten, weder Sonne, noch Liebe, noch Gott erkennen konnten, und dennoch ihren Glauben nicht aufgaben bis in den Tod, weil sie die Hoffnung hatten.

Wir haben von den drei großen Geschenken gesprochen: Die schönsten Dinge unseres Lebens können wir uns nicht mit dem Ellenbogen erobern, nicht mit Geld bezahlen, nicht mit ir-gendeinem Einsatz verdienen. Sie werden uns geschenkt: der Himmel, die Sonne, die Luft, die Liebe. Gott. Auch ihr beiden habt euch schließlich nicht „verdient“. Ihr seid euch zum Geschenk gemacht. Das zu wissen, gerade in den dunklen Stunden eures Lebens, wenn euch die Sonne nicht scheint, wenn euch die Liebe zwischen den Fingern zu zerrinnen droht, erleichtert vieles in eurem Leben. Ihr müsst es euch nicht ständig beweisen, dass ihr etwas wert, dass ihr einander liebenswert seid. Ihr müsst euch nicht aufspielen, euch in Szene setzen oder gar „auf den Putz“ hauen. Es genügt zu Zeiten ganz einfach, dass ihr euch habt.

Daß ihr euch selbst dann noch habt, wenn von alledem nichts zu spüren ist, was euch zusammengeführt hat. Dafür sorgt die Hoffnung. Es steht nicht immer in unserer Macht, die Sonne scheinen und die Liebe sprechen zu lassen. Oft muss man ganz ruhig warten und geduldig vertrauen können. Und manchmal muss man sich auch in einer guten Partnerschaft an den erinnern können, der für uns Sonne und Liebe geschaffen hat. Genau deswegen sind wir hier beisammen, um eure Liebe unter den Schutz Gottes zu stellen. Wie die Liebe lässt er sich nicht für unsere Welt beweisen; und doch ist er für uns da, weil er uns durch seinen Sohn Jesus Christus gesagt hat: „Ich nenne euch Freunde ... wenn ihr tut, was ich euch sage: Liebt einander“ (Joh 15,15-17).

Ihr setzt heute in eurer Liebesgeschichte zu einem Höhepunkt an, weil zu aller Zärtlichkeit und Liebe nun ganz laut und deutlich das Wort der Treue und des Vertrauens gesprochen wird. Worte können wir hören, was dahinter steht, darauf müssen wir uns verlassen. Gerade weil ihr einander nichts beweisen könnt, schenkt ihr einander das, was für unser Leben so ungeheuer wichtig ist: die Sonne zum Wärmen, die Liebe zum Leben, Gott zum Überleben. Genau das ist es auch, was wir euch von Herzen zu diesem Tag und für euer ganzes Leben wünschen: dass euch die Sonne nie untergehe, die Liebe nie ausgehe und ihr euch an Gott fest-halten könnt in „guten wie in bösen Tagen“.

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