Liebe braucht Zeit - Worte zur Hochzeit

Nur in einer gute Ehe
haben Mann und Frau Zeit genug
einander Freunde zu werden.
Roland Breitenbach

Vielleicht sind eure Gäste und Freunde erstaunt, dass ihr nicht ein Wort der Liebe, sondern der Freundschaft in euer Stammbuch schreiben lässt. Die Freundschaft gibt der Liebe Dauer. Wie ihr wisst, kann Verliebtheit über Nacht entstehen und am Tage schon wieder vergangen sein. Zwar gibt es auch noch die

„Liebe auf den ersten Blick“; aber immer wenn wir Menschen von Liebe sprechen, möchten wir damit zugleich die Hoffnung ausdrücken, dass Treue und Dauer hinzukommen und unsere Liebe sichern. Zur Liebe in eurer Gemeinschaft, und wir hoffen, ihr beiden hattet schon viele schöne gemeinsame Stunden, soll jetzt die Freundschaft kommen. Freundschaft entfaltet sich langsam, und deswegen muss man wirklich lange genug verheiratet sein, wenn man sich in der Ehe Freund werden will.

Ihr beiden habt euch offen Zeit füreinander gelassen; ihr sollt euch auch weiterhin diese Zeit gönnen, um eure Freundschaft auch zum Nutzen von uns allen zu entfalten. Damit rechnen vor allem die jungen Leute um euch herum, die sich auf Liebe und Ehe vorbereiten. Freundschaft ist zart und geduldig; sie nimmt Rücksicht auf den ändern und überfordert ihn nicht. Deswegen ist der einzige Wettbewerb, der zwischen Freunden erlaubt ist, der Wettbewerb des Spiels. Wenn ihr miteinander in Liebe spielt, und wir gebrauchen das Wort so, wie ihr es versteht, dann seid nicht auf Gewinn aus, auf Sieg oder Niederlage, sondern wie es unter Freunden üblich ist, auf die Freude, auf die Entspannung, auf das Glück des ändern.

Denkt aber daran, dass nicht unser Körper, sondern auch unser Geist zum Spielen bestimmt ist: Je erfinderischer, je phantasievoller ihr dabei seid, umso größer ist das Glück, das ihr euch Tag für Tag schenken könnt. Wenn Mann und Frau nicht mehr fähig sind, in aller Freundschaft miteinander zu spielen, dann wird ihr gemeinsames Leben sehr bald von den Zwecken bestimmt; das Eheleben wird zur billigen Routine erstarren; es wird nichts Wunderbares mehr passieren, weil es nichts mehr zum Staunen gibt; es wird ganz einfach langweilig: wer nicht zu spielen weiß, hat sich nichts mehr zu sagen. Eure Freundschaft wäre einseitig „menschenlastig“, wenn Gott aus eurem Spiel bliebe. Eine frühere Generation verstand unter „Gnadenspiel“ die Heilsgeschichte Gottes mit dem Menschen. Gott sandte in seinem großen Spiel der Liebe seinen Sohn in unsere Welt; er sollte sie verändern; seine Frohe Botschaft wurde deswegen zu einer Botschaft der Liebe. „Du sollst Gott lieben... und den Nächsten wie dich selbst“ (Mk 12,30-31). Dafür setzte Jesus alles ein, sogar sein Leben: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahin-gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Dies ist die letzte Konsequenz einer Freundschaft; sie gibt das Leben für den ändern.

Das wird vermutlich von euch beiden so nicht verlangt; aber es zeigt euch die ganze Radikalität einer Freundschaft: Wenn Gott liebt, dann gibt es keine Grenzen. Gottes Liebe und Freundschaft zu uns. Das ist das Modell für eure Gemeinschaft und heißt nichts anderes, dass alles Gute, Schöne und Liebe in eurer Ehe mit Gott zu tun hat; dass ihr Gott zum Freund habt, wenn ihr euch Freunde geworden seid. Dafür lasst euch entsprechend Zeit und denkt immer daran, dass eure Freundschaft gerade in kritischen Zeiten gefragt ist, dann, wenn ihr miteinander an eure Grenzen kommt. Mit Gottes Freundschaft könnt ihr diese Begrenzungen überwinden.

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